Von Vikarin Johanna Sasse über Jeremia 23, 5-8: Worauf warten Sie liebe Gemeinde? Weihnachten? Geschenke? Die nächste Gehaltserhöhung? Darauf, dass alles wieder „normal“ wird, nach über 1,5 Jahren Corona-Ausnahme-Zustand?
Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Lande üben wird.
Darauf wartet Israel: dass sich endlich die Worte der Prophetinnen und Propheten erfüllen, wie hier die Worte von Jeremia. Israel wartet darauf, dass eines Tages wieder ein Nachkomme von David König wird, nach so langer Zeit der Fremdherrschaft.
Wir können Ähnliches gerade bei uns beobachten: An die neue Bundesregierung, die Ampel, sind hohe Erwartungen geknüpft: die Erwartung, dass die Regierung den Klimawandel aufhält, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie ausbügelt und am besten auch noch Steuern senkt.
Auch das Volk Israel hat hohe Erwartungen an den künftigen König geknüpft: Wenn dieser König das Amt antritt, dann soll der ebenfalls gut regieren: Er soll endlich für Recht im Land sorgen und Gerechtigkeit herstellen.
Denn was Israel zur Zeit Jeremias erlebt, ist alles andere als gerecht: Die führenden Männer des Volkes: Der König, die Propheten und Priester, kümmern sich allein um die eigenen Angelegenheiten, statt um die Belange ihres Volkes: Die Priester betrügen Ihre Frauen. Die Propheten weissagen nur, was sie selbst für richtig halten oder gar im Namen anderer Götter. Die politischen Führer, ja sogar der König selbst, geht zwielichtigen Geschäften nach: Sie bauen zB. prunkvolle Häuser ohne die Arbeiter zu bezahlen. Sie bereichern sich um jeden Preis: Manchmal sogar zu Lasten eines Menschenlebens.
Eigentlich wäre es die Aufgabe von König, Richtern, Propheten und Priestern Recht zu schaffen. Das passiert aber nicht. Stattdessen berichtet Jeremia davon wie Waisen, Witwen und Ausländer – also die, die in der Gesellschaft damals ganz unten stehen - bedroht und bedrängt werden. Tolle Vorbilder. Kein Wunder, dass auch das Volk Nächstenliebe und Anstand vermissen lässt. Und scheinbar auch Gott vergessen hat. Den Gott, der einst ihre Vorfahren aus der Sklaverei aus Ägypten befreit hat. Der Gott, der mit Ihnen seinen Bund errichtet hat: Israel auserwählt hat als sein Volk. Der Gott, der sich immer wieder seinem Volk durch Propheten zuwendet und Gebote für ein gelingendes Zusammenleben gegeben hat; der Gott wird immer mehr vergessen.
Armer Jeremia. Er hat von Gott den Auftrag bekommen, zum Volk und den führenden Männern zu gehen und zu ermahnen. Nach dem Motto: „So kann es nicht weitergehen. Ihr müsst euer schlechtes Verhalten beenden. Sonst wird Gott dem ganzen ein Ende setzen.“
– Sagen Sie das mal korrupten Machthabern. Ich will jedenfalls nicht tauschen mit Jeremia. Das ist eine ziemlich schwierige und sogar gefährliche Aufgabe, die Gott ihm da zumutet: Jeremia landet wegen dieser Botschaft im Gefängnis und kommt einmal sogar nur knapp mit seinem eigenen Leben davon.
Ja, Wahrheit kann manchmal unbequem sein. Und doch braucht es Menschen, die bereit sind gerade zu stehen. Menschen, die auch mal Unliebsames ansprechen. Manchmal braucht es jemanden, der negative Verhaltensweisen und deren Konsequenzen klar beim Namen nennt. Einfach ist das nicht. Aber Gott gab Jeremia damals die Kraft diese Botschaft auch auszusprechen. Gott gibt auch heute noch den Jeremias unserer Zeit die Kraft, sich für Gerechtigkeit und Gottes Botschaft einzusetzen. Selbst dann, wenn negative Konsequenzen drohen.
Armer Jeremia. Kein Wunder, dass sich in all dem Unrecht immer mehr die Hoffnung auf eine echte Erneuerung des Königtums richtet. Jeremia und viele Gläubige sehnen sich nach diesem neuen, von Gott eingesetzten König:
Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden und Israel sicher wohnen. Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: »Der HERR ist unsere Gerechtigkeit«.
Der HERR ist unsere Gerechtigkeit. Komplizierter Name. Und auch etwas länger als der Name Jesus. Jesus, hebräisch Jeschua, heißt übrigens JHWH rettet. Und auch wenn hier nicht explizit Jesus drin steht, lesen viele Christen zu allen Zeiten und an allen Orten, diesen Text als Verheißung auf Jesus Christus hin: Er sei der Nachfahre Davids, der über Israel herrschen soll.
Moment mal… Hab ich da was verpasst?, meldet sich meine innere Kritikerin und fährt fort: Ich dachte Jesus ist der Sohn von Gott oder von Josef. Aber von David?!
Nun. Wie so oft im Leben, gibt es auch hier nicht nur eine Wahrheit: Man kann allen dreien den Titel als Vater zuerkennen. Jedenfalls tut die Bibel das: Am Anfang des Matthäus-Evangeliums wird ein Stammbaum aufgebaut. Der beginnt bei Abraham, geht über den israelischen König David und endet bei Josef. Jesus hat demnach also Vorfahren, die direkt auf den König David zurückgehen.
Jesus wurde also sowohl für den Sohn Gottes als auch für den Sohn Josephs gehalten. Und dadurch kann er auch als entfernter Nachkomme Davids angesehen werden.
Und auch wenn Jeremia nicht aufgeschrieben hat, dass dieser Nachkomme Jesus heißen wird, so ist auch der Name „Der HERR ist unsere Gerechtigkeit“ zu 100% zutreffend: Denn kein Mensch kann von sich aus vor Gott als ganz und gar gerecht gelten. Sind wir ehrlich zu uns: Selbst wenn wir den Anspruch an uns haben immer fair zu sein und uns auch darum bemühen: Wir schaffen es nicht stets gerecht zu handeln. Allein schon deshalb, weil wir nicht immer die Umstände kennen und wissen was gerecht ist. Wie oft quengeln die Kinder in der Schule: „Der hat aber auch geredet und Sie ermahnen nur mich: Wie ungerecht!“
Selbst in unserem so guten Rechtssystem hören wir manchmal davon, dass Täter zu Unrecht freigesprochen werden. Oder von unschuldig Bestraften.
Noch eine einfache Frage als Gedankenexperiment: Was ist gerechter? Wenn alle das Gleiche haben, oder jede und jeder das, was man individuell braucht für ein gutes Leben?
Das sind einfache Fragen, über die man sich lang den Kopf zerbrechen kann. Halten wir also fest: Wir können, im wahrsten Sinne, Gottes Gerechtigkeit nicht gerecht werden. Doch Jesus Christus ist unsere Gerechtigkeit: Paulus schreibt dies immer wieder in seinen Briefen: Immer wieder kommt er zu dem Schluss: Gott hat Jesus Christus zu unserer Gerechtigkeit gemacht. Durch ihn wurden alle Ansprüche an uns erfüllt.
Darum siehe, es wird die Zeit kommen, spricht der HERR, dass man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!«, sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.« Und sie sollen in ihrem Lande wohnen.
Gott will einen Neuanfang für Israel: Er will sie raus führen aus dem Exil, zurück in ihr Land. Das liest sich so schön. So verheißungsvoll. Und doch ging diesem Text ein schmerzhafter Prozess voraus: Denn zunächst war genau das eingetreten, wovor Jeremia gewarnt hatte: Gott hat damals das Regiment der Ungerechtigkeit beendet: Aber auf schmerzvolle Art und Weise: Er hat zugelassen, dass fremde Herrscher Israel zerstört haben und viel Volk in alle Teile der Welt verschleppten: Nach Assyrien, nach Babylon, nach Ägypten. Ein wirklich hartes Handeln.
Doch dabei bleibt es nicht. Gott bleibt nicht stehen im Zorn auf sein Volk, sondern bei dem Wunsch nach einem Neuanfang: Israel soll wieder gesammelt werden und zurück ziehen in sein Land.
Ja, Gott hat Israel schon einmal geführt: Damals, aus der Gefangenschaft aus Ägypten. Dafür ist dieser Gott gewissermaßen über die Grenzen Israels hinaus berühmt geworden. Man hat sich freudig zugerufen: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat!“
Jeremia glaubt fest, dass dies nicht die einzige Heilstat bleiben wird, die Gott tut, sondern dass Gott eines Tages auch dafür über die Grenzen Israels hinaus berühmt wird. Dass man sich davon erzählt, wie Gott sein Volk wieder zurück gebracht hat in dessen Land. »So wahr der HERR lebt, der die Nachkommen des Hauses Israel heraufgeführt und hergebracht hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Landen, wohin er sie verstoßen hatte.«
In unserem Predigttext heute kam 3x die Formulierung vor „zu seiner Zeit“ oder „es wird die Zeit kommen“. Das setzt Geduld voraus. Und Vertrauen darauf, dass Gott sein Wort wahr werden lässt. Auch wenn das manchmal länger dauert, als wir es uns wünschen. Die Beendigung des babylonischen Exils, damals zu Jeremias Zeiten, hat ca. 50 Jahre auf sich warten lassen.
Die Ankunft des Königs, der Gerechtigkeit bringt und von dem wir Christen glauben, dass es Jesus Christus war, hat fast 600 Jahre gedauert.
Der Advent ist jedes Jahr wieder so eine Zeit des Wartens. Eine Überschaubare von 4 Wochen wohl gemerkt, aber warten müssen wir doch. Vielleicht wissen Sie noch, wie sich diese ungeduldige Vorfreude auf Weihnachten angefühlt hat; damals, als Sie noch ein Kind waren: Wie quälend langsam die Tage vergangen sind.
Heute genießen viele den Advent als bewusstes Warten. Ich weiß nicht worauf Sie sehnsuchtsvoll warten. Aber vielleicht können Sie den Advent, der vor uns liegt nutzen, um bewusst zu warten. Warten: das ermöglicht uns nämlich auch geduldiger zu werden, ruhiger zu werden. Im Vertrauen darauf, dass das, worauf ich warte, schon irgendwie werden wird. Im Vertrauen auf einen Gott, der hält, was er verspricht. Im Vertrauen auf einen guten Gott, der sich selbst geschenkt hat für uns; in Jesus Christus als unsere Gerechtigkeit.
Amen.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als all unserer Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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